Interview mit Jörn Sack, Initiator und Stifter des Polly-Preises, Lyriker von Herzen, Schriftsteller, Privatgelehrter
Lieber Jörn,
ganz großen Dank, dass Du der zugetextet.com Redaktion die Durchführung der Ausschreibung und Vergabe des renommierten Polly-Preis 2024 zutraust. Wir haben vereinbart, dass der Polly-Preis fest in unser Redaktionskonzept integriert und alle zwei Jahre ausgeschrieben werden wird. Du hast – wie auch bei den vergangenen Vergaben – das Preisgeld gestiftet. Dafür sind wir sehr dankbar. Unser Herausgeber hat in seiner Tasche noch einen kleinen Obolus für einen Jungautorinnen- und -autoren bis 18 Jahren gefunden, den er dazugibt.
Wie bist Du zum Schreiben und zum Dichten gekommen? Was sind die Themen, die Dich damals angetrieben haben? Was bewegt Dein Schreiben, es sind ja einige Romane in schneller Folge entstanden, heute, nachdem Du mehr in die Prosa gegangen bist?
Ich denke, wie jede künstlerische Tätigkeit ist einem der Hang zum Schriftstellerischen angeboren. In bewegten Lebenszeiten (bei mir angefangen mit der Pubertät) tritt er dann besonders hervor. Abgesehen von Liebesthemen standen in meiner Dichtung stets existenzielle Fragen (Was bedeutet Leben? Was ist der Mensch? Insbesondere als ‚zoon politicon‘?) im Vordergrund. Bei der Prosa bevorzuge ich kleine ironische Texte über Alltagsbeobachtungen. Bei dem Roman und den beiden Nachfolgetexten habe ich mich 25 Jahre lang an der Frage, was es bedeutet, Deutscher zu sein, abgearbeitet.
Der Polly-Preis, Preis für Politische Lyrik, hat ja einen Vorläufer gehabt, der „Lauter Niemand“ hieß. Was hat Dich dazu bewogen, einen Preis zu vergeben, der die politische Lyrik fördert?
Durch meine berufliche Tätigkeit, die mir auch große Freude bereitet hat, sie war mehr als ein Brotberuf, war ich stilistisch für die Literatur ziemlich verdorben. In einem unerhört kritischen Berliner Lesekreis von Nachwuchsautoren, der sich ‚lauter niemand‘ (ein Kafka-Zitat) nennt, wurde ich dann zurecht gestaucht. In diesem Rahmen erfolgte die Vergabe der Polly-Preise in den ersten Jahren. Ich gehörte zu den wenigen, die für welthaltige Lyrik eintraten, nicht seelische Nabelschau. Dann kam es zu Meinungsverschiedenheiten, und ich nahm die Sache allein in die Hand.
Zusammen mit der Edition Bodoni hast Du parallel ein Jahresbuch für politische Lyrik herausgegeben. Wie geht es damit weiter?
Ohne die gestalterische Hilfe meiner Lebensgefährtin Luise Galm und meine Freunde von der edition bodoni hätte ich das Jahresbuch als Ergebnis des Polly-Wettbewerbs nicht herausgeben können. Ich denke, ihr nehmt die Sache nun im Rahmen von ‚zugetextet‘ auf hohem Niveau in die Hand.
„Ein politisch Lied, ein garstig Lied“ schrieb der Dichter Hofmann von Fallersleben 1842, wobei er sich wahrscheinlich auf Verse aus Faust I, Szene in Auerbachs Keller, also Goethe, bezog. Welche Art von Gedichten würden Dein Dichterherz erfreuen? Welchen Rat oder Hinweis gibst Du den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit auf den Weg zum Polly-Preis?
Hoffmann ist der Verfasser unserer Nationalhymne – er musste wissen, wovon er sprach, und ich wage zu sagen, dass manches im ‚Lied der Deutschen‘ tatsächlich ‚garstig‘ oder gar peinlich ist, auch damals schon für den Feinfühligen war. Hoffmann hat aber viel bessere politische Lyrik gemacht, zum Beispiel das Gedicht über die Bedeutung der Zeitung für unser deutsches Vaterland. Peinlich von Beginn an auch der Text der Marseillaise; nur die Musik begeistert. Die ‚Internationale‘ halte ich dagegen für gelungen. Und von Brechts Versuch einer neuen deutschen Hymne gefällt mir, dass sie innovativ mit ‚Anmut‘ beginnt („Anmut sparet nicht noch Mühe…“). Beste politische Lyrik ist aber für mich – und ich empfehle jedem Teilnehmer vor seiner Einsendung die Lektüre – Heines Gedicht über die schlesischen Weber. Da ist das für politische Lyrik Wesentliche – gelungene Sprache mit klarer Botschaft – vereint. Es ist nicht leicht, gute Lyrik zu machen, die einem Zweck dient. Dabei hat sie in Deutschland von Walther von der Vogelweide bis zu Wolf Biermann eine lange Tradition.
Lieber Jörn, wir danken Dir für das Gespräch, wünschen Dir und Deinen Lieben gute Gesundheit und viel Kreativität, damit wir den Preis auch 2026 und folgende mit Dir feiern können.
Redaktion zugetextet.com
Das Interview führte Walther.
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