Haiku und Wandern

Bericht einer Veranstaltung in der Tagungsstätte Löwenstein, Freitag 2. bis Sonntag 4. November 2018

von Volker Friebel

„Das Haiku ist die perfekte Literaturform beim Wandern“, denke ich und lasse meinen Blick schweifen: Berge um Löwenstein, Rebzeilen der Hänge, weiße Segel auf dem Breitenauer See, das Tal der Sulm, wie es sich öffnet bis zum Horizont und den Ausläufern Heilbronns.

Haiku, das ist eine sehr kurze Dichtform, ursprünglich aus Japan stammend, inzwischen in der ganzen Welt verbreitet. Drei Zeilen, möglichst nicht mehr als 17 Silben, um einen Augenblick der Gegenwart einzufangen, hier auf dem Gang durch die Weinberge und weiter zum Schafstall, hinein in den Wald. Eindrücke einfach, nicht so sehr Gedanken, Tropfen aus dem Fluss der Zeit, mit dem Stift festgehalten im Notizbuch, Fotografien aus Worten.

Wenn sich hinter den einfachen Worten noch etwas anderes zeigt, etwas vom Quell des Lebens aufschimmert oder vom Himmel, ist es besonders gut. Aber das muss gar nicht sein, der beobachtete Moment genügt. Zwei Beispiele:

Am Walnussbaum –
eine Krähe schwingt sich auf
in den Himmel.

Farben des Apfels –
angeglichen den Gräsern,
bei denen er liegt.

Im Seminarraum lesen wir unsere Notizen vor. Wie sie sich unterscheiden – selbst dann, wenn wir das gleiche Motiv in Worte zu fassen versucht haben! Wir lauschen den Meinungen der anderen und versuchen, unsere Texte zu verbessern.

Das Gespräch kommt darauf, wie unterschiedlich unsere Assoziationen auf dasselbe Wort sind, wir reden über die Schönheit der Sprache, wie wenig wir sie im Alltag würdigen, sie meist nur zur bloßen Verständigung nutzen, aber kaum das tun, wozu sie genauso da sein kann: uns dichtend eine Heimat in der Welt zu schaffen.

Was für Kriterien gibt es für gelungene Haiku, für gelungene Dichtung? Kann es Allgemeinverbindliches bei so etwas Subjektivem überhaupt geben? Wir lesen Haiku aus der Literatur und beschäftigen uns mit unseren unterschiedlichen Reaktionen auf sie.

Arbeit am Wort.
Durch die Wand mischt sich ein:
Chorgesang.

Beim Wandern Haiku zu notieren, ist bei ihrer Kürze einfach. Daraus dann für andere nachvollziehbare und inspirierende Texte zu machen, kann schon schwieriger werden. Es ist schön zu sehen, wie lebendig das Gespräch um Worte und Erleben wird.

Besonders gut hat die Verbindung von Gehen und Schreiben gefallen. Dies was das vierte Seminar dazu. Zweimal fand es im Kloster Kirchberg statt, einmal im Kloster Heiligkreuztal, nun in den Löwensteiner Bergen. Ich bin gespannt, wohin es uns noch verschlägt.

Weiße Segel –
ein Wind kommt auf, zwischen
sich färbenden Bäumen.

Die nächste Veranstaltung „Haiku und Wandern“ findet statt im Kloster Neresheim (zwischen Nördlingen und Aalen), Freitag, 25. Oktober 2019 von 18:00 Uhr bis Sonntag, 27. Oktober 2019 gegen 13:30 Uhr. Träger ist die Heimat- und Wanderakademie Baden-Württemberg des Schwäbischen Albvereins. Leiter ist Volker Friebel.

Hier nähere Informationen und Anmeldung

 

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