Interview mit dem Team „zwischen/miete-Lesung “ – Junge Literatur in Stuttgarter WGs

Zum zweijährigen Geburtstag des Projekts „zwischen/miete-Lesung“ – Junge Literatur in Stuttgarter WGs erklärten sich die drei Teammitglieder Verena, Charline und Friederike bereit, mit uns die zwei Jahre Revue passieren zu lassen:

Im April feierte die „zwischen/miete“-Lesung – Junge Literatur in Stuttgarter WGs ihr zweijähriges Bestehen. Wie kam es überhaupt zu der Idee, Lesungen von Nachwuchs-Autoren in private Haushalte zu bringen?

Verena: Der Grundgedanke der Reihe „zwischen/miete“ liegt darin, jungen Literaturinteressierten einen Ort jenseits des regulären Literaturbetriebs zu bieten, an dem Kultur und Literatur stattfinden. „zwischen/miete“ soll die Literatur zu ihnen nach Hause bringen und junge AutorInnen in einer unkonventionelleren, ungezwungeneren Umgebung lesen lassen, in einem Umfeld, das den Weggehgewohnheiten junger Menschen entspricht, in dem sie schneller ins Gespräch kommen und sich vernetzen können.
Ursprünglich stammt die Idee aus dem Literaturbüro Freiburg. Stefanie Stegmann, dessen ehemalige Leiterin und seit 2013 Leiterin des Literaturhaus Stuttgart, konzipierte dort die Lesereihe. In Freiburg läuft die Reihe seit einigen Jahren sehr erfolgreich, dort wird sie von jungen Studierenden kuratiert und durchgeführt. Als Stefanie nach Stuttgart kam, wollte sie die Reihe hier gerne weiterführen – ich war zu diesem Zeitpunkt Praktikantin im Literaturhaus, Friederike war meine Vorgängerin. Stefanie hat uns von der Reihe erzählt und wir hatten Lust darauf. Es lag also recht nahe, dass wir die Planung und Organisation der Stuttgarter „zwischen/miete“ übernehmen.

Wie nahm man euer Projekt auf oder anders gefragt: welche Resonanz habt ihr nach den ersten Lesungen erhalten? Gab es auch Hindernisse, die ihr im Vorfeld oder Nachhinein ausräumen musstet oder gar negative Reaktionen?

Verena: Die Lesungsreihe wurde von Anfang an sehr gut aufgenommen, es kommen regelmäßig zwischen 60 und 80 Gästen in die WGs, unser bisheriger Rekord liegt bei 102 zahlenden Gästen. Sowohl die Gäste als auch die WG-BewohnerInnen, die ihre Wohnungen öffnen, waren jedes Mal sehr zufrieden – die Gäste kommen wieder und die WGs bieten sich meist für weitere Lesungen an. Bislang gab es glücklicherweise keine Hindernisse, die wir nicht ausräumen konnten.

Was bewegte euch zur Entscheidung, explizit Nachwuchsautoren diesen besonderen Raum für Lesungen zu geben? Wieso nicht auch „alten Hasen“?

Verena: Es gibt in der deutschsprachigen Literaturszene nur wenige Institutionen, die NachwuchsautorInnen eine Plattform bieten, dabei gibt es so viele tolle und interessante KünstlerInnen, die gesehen und gehört werden sollten. Dazu kommt natürlich, dass sich junge AutorInnen und das junge literaturinteressierte Publikum auf Augenhöhe begegnen können, wenn sie aus derselben Generation kommen. Auf Augenhöhe und in einer lockereren Atmosphäre fällt es leichter, miteinander ins Gespräch zu kommen, sich auszutauschen und zu vernetzen.

Welchen Anreiz bietet eurer Meinung nach dieses besondere Lesungsformat, sowohl den Nachwuchsautoren als auch den Freiwilligen, die ihre Wohnungen zur Verfügung stellen?

Charline: Aus den Gesprächen mit den bereits geladenen NachwuchsautorInnen ging hervor, dass sie ihre „zwischen/miete“-Lesung weniger als Arbeit und vielmehr als ein geselliges Beisammensein und Erzählen empfunden haben. Im Vergleich zu anderen Formaten kreiert die „zwischen/miete“ mit ihrem jungen Publikum und dem gemütlichen Ambiente sicherlich einen höheren Wohlfühlfaktor für die AutorInnen. Obwohl es die zwischen/miete-Lesungen bereits seit zwei Jahren gibt, bleibt die Idee eine Literaturveranstaltung in den eigenen vier Wänden stattfinden zu lassen einfach spannend und unkonventionell. Dies, gepaart mit der Möglichkeit viele, ebenfalls literaturinteressierte Menschen kennenzulernen, schafft auf jeden Fall einen Anreiz für die Wohngemeinschaften.

Welche Kriterien muss ein Nachwuchsautor aufweisen, um bei der „zwischen/miete“ seine Werke vorstellen zu dürfen?

Verena: Die AutorInnen, die an der „zwischen/miete“ teilnehmen, sollten aus der jüngeren Schriftstellergeneration stammen und bereits publiziert haben. Außerdem sollten sie natürlich Lust haben, in einer unkonventionelleren Umgebung, wie z. B. in einer WG oder einem Wohnheim zu lesen. Egal, ob man uns seine Wohnung zur Verfügung stellen möchte – denn wir freuen uns auch immer über Anfragen von WGs – oder ob man sich als Autor bei uns bewerben will, am besten meldet man sich über zwischenmiete@literaturhaus-stuttgart.de oder www.facebook.com/zwischenmieteStuttgart bei uns.

Neben den „WG-Lesungen“ arbeitet ihr vom „zwischen/miete“-Team auch an anderen Projekten. Worum handelt es sich dabei?

Verena: Seit Oktober 2015 organisiere ich gemeinsam mit Sandra Potsch, einer anderen Kollegin aus dem Literaturhaus, das Programm für Literaturinteressierte unter beziehungsweise um 35 Jahre: Das U35-Programm. Dieses Programm ist gewissermaßen aus der „zwischen/miete“ entstanden; wir haben uns gewünscht, dass es ein noch umfangreicheres Angebot für junge Literaturinteressierte gibt, ein Angebot, dass die Vernetzung erleichtert, bei dem man sich noch öfter austauschen und über Literatur sprechen kann. Es ging uns natürlich auch darum, jüngere Menschen für das Literaturhaus zu gewinnen und ihnen durch das U35-Programm Lust zu machen, jenseits von Vereinsmeierei in toller Atmosphäre die Literaturlandschaft ein bisschen mitzugestalten und das Literaturhauspublikum altersmäßig ein bisschen breiter aufzustellen.
Seit Oktober treffen wir uns also jeden ersten Montag im Monat zur „zwischen/lese“ und sprechen über ein Buch, das wir zuvor gelesen haben – das können Klassiker oder aktuelle Bücher sowie Bücher von AutorInnen, die zur „zwischen/miete“ kommen sein. Passend dazu machen wir einen gemeinsamen Ausflug, den „zwischen/stopp“, wir sehen uns Verfilmungen im Kino an, Inszenierungen im Theater, gehen nach Marbach ins Literaturarchiv oder ins Museum. Im April haben wir beispielsweise diverse Stories von Edgar Allan Poe gelesen und besprochen, und während des Internationalen Trickfilm-Festivals Stuttgart werden wir zusammen ins Kino gehen und uns „Extraordinary Tales“ anschauen, Animationen von Poes Geschichten.
www.literaturhaus-stuttgart.de/u35/programm

Nun eine persönliche Frage: wie ich es verstanden habe, begleitet ihr beide, Verena und Friederike, von Anfang an das Projekt. Du, Charline, bist seit November letzten Jahres dabei. Was waren eure persönlichen Beweggründe, dieses Projekt zu leiten? Welchen Einfluss hat die „zwischen/miete“ auf euren Alltag?

Verena: Es macht großen Spaß, die junge Literaturszene Stuttgarts aktiv mitzugestalten und ein Programm zu machen, das die jungen Leute, die ein Interesse an Literatur haben, auch gerne besuchen wollen. Durch den Austausch beim U35-Programm bekommt man mit, was die Leute wollen, worauf sie wirklich Lust haben. Ich empfinde es als große Bereicherung, im Austausch mit anderen Einfluss darauf nehmen zu können, was angeboten wird. Die Organisation der „zwischen/miete“ und des gesamten U35-Programms nehmen natürlich sehr viel Zeit in Anspruch, da ich in Vollzeit beim Forum der Kulturen Stuttgart e. V., dem Veranstalter unter anderem des SommerFestivals der Kulturen, arbeite, habe ich nicht viel Zeit für Alltag.

Charline: Ich habe Verena und Friederike als zwei literaturverliebte Frauen kennengelernt, die es sich neben der Arbeit und neben dem Studium zur Aufgabe gemacht haben, die Generation U35 für junge Gegenwartsliteratur in Begeisterung zu versetzen. Solch ein tolles Projekt muss man einfach unterstützen. Die „zwischen/miete“ hat meinen Alltag auf jeden Fall in Bezug auf das Leseverhalten beeinflusst: Klassiker lese ich zurzeit nur noch im Rahmen meines Studiums.

Was wünscht ihr euch für die Zukunft der „zwischen/miete“?

Verena: … dass es weiterhin so gut läuft und noch viel Gutes nachkommt!

Charline: Ich wünsche uns, dass wir noch ganz viele Jubiläen feiern werden.

Dann auf viele weitere Jahre und Jubiläen! Wir bedanken uns herzlich für das Interview und wünschen euch weiterhin viel Erfolg!

 

Netfinder:
http://zwischenmiete.literaturhaus-stuttgart.de/

Portrait des Teams der zwischen/miete-Lesung Stuttgart:
http://zugetextet.com/?p=1345

 

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