Im Wahnwitz des Lebens – Rezension

Buchbesprechung von Maja Seiffermann

Inga Prodeck, d.i. Jörn Sack: Im Wahnwitz des Lebens. Meine Lebenserinnerungen in drei Bänden, edition Bodoni, 2022, ISBN: 978-3-947913-31-2, 203 Seiten, 22 € (D)

Inhalt

Die 1912 geborene Inga durchlebt eine langsame Metamorphose von der unwissenden Ehefrau eines SS-Offiziers hin zu einer reifen Frau mit eigenen Zielen.

Sie zieht im Krieg an der Seite eines SS-Offiziers vier Kinder groß, wird selbst erwachsen, heiratet erneut und übt diverse Berufe aus.

Dabei steht ihr der um einiges jüngere Achim, ein entfernter Verwandter, zur Seite, für den sie ihr ganzes Leben Gefühle hat. Sie beschließt irgendwann, auch auf seinen Vorschlag hin, ihr Leben zu Papier zu bringen.

Kritik

Ich muss vorausschicken, dass das Cover des Buches sowie die Kapitelüberschriften wenig ansprechend gestaltet bzw. formuliert sind. Unter anderen Umständen hätte ich das Buch wahrscheinlich nicht gelesen. Das aber nur zur äußeren Form des Buches.

Dass nicht Inga Prodeck selbst das Buch verfasst hat, sondern Jörn Sack in ihrem Namen, habe ich nicht auf Anhieb verstanden. Ist aber gut zu wissen.

Sieht man darüber hinweg, ist schön, dass man durch Ingas Leben einen Einblick in Nischen erhascht, in die man sonst keinen Einblick bekommt wie zum Beispiel in das Leben als Ehefrau eines Nazis, in die Prostitution oder auch Bewährungshilfe.

Allerdings ist es so, dass das Buch politisch und historisch relevante oder interessante Ereignisse aufgreift, Inga diesen aber eher passiv begegnet und sich selbst sogar als „Treibholz“ sieht, das sich von fremder Strömung hatte tragen lassen.

Ehrlicherweise wäre das Buch nicht spannend genug, wenn Inga eine Ikone der Emanzipation wäre oder ihr Leben von Anfang an reflektiert angegangen wäre. Ihre Art macht es einem jedoch schwer, sie nicht zu verurteilen oder etwas Wertvolles für sich selbst mitzunehmen.

Es folgen ein paar Beispiele:

Ich verstand wirklich nicht, was die jungen Leute wollten. Es ging ihnen doch gut. Ganz anders als uns damals Anfang der 30er Jahre. Alles schien so mutwillig angezettelt. Als ob sie Randale als Spiel ansahen. Vietnam und Afrika waren weit weg. 

Sie haben Recht, die weibliche Emanzipation ist mir ziemlich schnuppe. Ich wusste mein Leben lang nichts von ihr, wüsste auch nicht, wie sie es hätte ändern können. Was soll sie mir jetzt bedeuten?

Mit 18 Jahren schrieb ich der NSDAP, ob es nicht eine SA für junge Mädchen gäbe, ich würde da gern mitmachen.

Ihre fehlende Selbstreflexion führt dazu, dass man viel früher zu den Schlüssen kommt als die Protagonistin im dritten Teil. Das Lesen dennoch fortzusetzen, kostet daher an manchen Stellen Überwindung.

Daher ist auch die Frage berechtigt, ob das Buch wirklich von Inga handelt oder doch eher von den Personen, die sie wie eine Puppe Dinge tun lassen. Auch das erkennt sie im dritten Teil:

Gleichwohl nagte an mir der Selbstzweifel. Alles, was ich bisher im Leben getan hatte, geleistet, wenn man so will, war nicht aus meinem Bestreben entstanden.

…weil Selbstbetrachtung nicht nur heißt, sich über das eigene Leben klar zu werden, sondern vor allem, sich darüber zu erheben. Abstand von unseren inneren Qualen gewinnen durch ein Gespräch mit einem Über-Ich, das wir in uns dabei ausbilden.

Wie bereits erwähnt, macht das starke Schwanken zwischen Sympathie und Verständnis für ihre Naivität und ihre Aussagen und eine leichte sich breitmachende Frustration, sdie Handlung nicht zwingend lesenswert oder raffiniert. Dennoch muss man dem Autor lassen, dass er die Gedanken und Aussagen gut verpackt, um die genannte Wirkung zu erzeugen.

Das Wort Wahnwitz, das ja maßgebend für den Titel ist, beschreibt völligen Unsinn, Wahnsinn, eine Art gefährliche Unvernunft und Verrücktheit. Auf Ingas Leben bezogen bedeutet das also mehr oder weniger, allem, was kommt, standzuhalten. Dass sie die Ereignisse nicht immer verstehen muss, dass es auch gefährlich werden kann, da die Ereignisse so unkontrolliert sein können. Also, wie Ingas Leben auch, eher passiv zu deuten, denn das Leben passiert und sie ist mitten im Wahnwitz, nicht sie ist der Wahnwitz.

Zusammenfassend und grob gesagt, schaut man in Im Wahnwitz des Lebens einer Person bei der Selbstfindung zu, die man vielleicht gar nicht einmal so gerne in seinem eigenen Leben hätte.

Ob das Buch dennoch lesenswert ist? Ich würde sagen, ja. Aber in Maßen und im Hinterkopf behaltend, dass jedes Leben ein ständiger Prozess ist oder sein sollte.

 

 

 

 

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