Feministischer Kampftag – 8. März 2023

von Alena Vogel und Maja Seiffermann

8.März – ein wichtiger Feiertag?

Google zufolge verschenkt man anlässlich des Weltfrauentages Blumen, Rosendüfte, bedruckte Shirts, Wellnesswochenenden, kitschige Plüschtiere, Wein, Pralinen, zum Verstauben verurteilte Deko oder sonstige Gegenstände, die genauso als Geburtstags- oder Vatertagsgeschenk dienen könnten.

Gleichberechtigung, Gleichstellung, Gerechtigkeit, Aufklärung oder ein Bewusstsein für bestimmte Sachverhalte verschenkt man an diesem Tag nicht. Und das, obwohl das eigentlich das einzig Sinnvolle wäre…

Denn seit Jahrzehnten „gratulieren“ wir Frauen an diesem Tag, nehmen ihn als Grund, Frauen vielleicht sogar anders zu behandeln, kaufen Geschenke oder – und das ist mindestens genauso oft der Fall – wissen wir gar nicht, was der 8.März überhaupt für eine Bedeutung hat.

Oftmals abwertend oder zu viel Interpretationsfreiraum lassend bedienen wir uns der Begriffe Frauentag, Frauenkampftag oder Weltfrauentag. Diese beziehen sich sprachlich jedoch nur das F und vielleicht noch das L von FLINTA*[1] (also Frauen und Lesben) und schließen somit alle anderen aus. Aber auch bzw. gerade diese Gruppen sind von Diskriminierung betroffen und sollten (nicht nur) am 8. März gehört werden.

„Es geht um den Kampf gegen patriarchale Dominanz. Es geht nicht nur um cis Frauen, sondern um alle FLINTA*-Personen, die gemeinsam gegen das Patriarchat kämpfen müssen.“[2]

Wichtig ist darüber hinaus, dass das Thema Mehrfachdiskriminierung, die z.B. Menschen mit Behinderungen und People of Color erfahren, auch im Kontext des 8. März thematisiert wird.

Der 8. März „legt die vielfältigen Arbeits- und Ausbeutungsverhältnisse von Frauen und Queers offen und versucht, sie als Quelle von Macht zu nutzen: Wo stehen die feministischen Mobilisierungen an unterschiedlichen Orten? Wie gerät die Gesamtheit der Herrschafts- und Ungleichheitsverhältnisse in den Blick? Was sind praktische Erfahrungen und Herausforderungen für die Zukunft?“, so Daniela Mehler-Würzbach[3]. „In diesem Sinne kämpfen und streiken wir für die Befreiung, das gute Leben, die Zukunft!“

 

Ist der feministische Kampftag eine Erfindung für den Kapitalismus?

Dass der 8. März vor 100 Jahren schon mit Blumen und pinken Accessoires geehrt wurde, ist schwer vorstellbar. Das ist auch gut so, da die Wurzeln des 8. März wo ganz anders liegen.

Seinen Anfang nahm der Internationale Frauentag in der sozialistischen Arbeiterinnenbewegung. Konkret wird der Ursprung des Tages meist den Textilarbeiterinnen in den USA zugeschrieben, die ab Ende des 19. Jahrhunderts mit Streiks für höhere Löhne und gerechtere Arbeitsbedingungen kämpften. Auch das allgemeine Frauenwahlrecht stand damals im Fokus der Arbeiterinnenbewegung.

In Europa wurde der internationale Frauentag 1910 von der deutschen Sozialistin Clara Zetkin vorgeschlagen, nachdem in den USA bereits 1909 ein nationaler Frauentag begangen worden war. International wurde der Tag erstmals am 19. März 1911 gefeiert. Damals gingen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Dänemark und den USA rund eine Million Frauen auf die Straße, um u.a. für einen Acht-Stunden-Tag (welcher in Deutschland 1918 gesetzlich festgeschrieben wurde), Mindestlöhne, Lohngleichheit und das Wahlrecht zu kämpfen. In den folgenden zwei Jahren schlossen sich Frauen in Schweden, der Niederlande, Frankreich und Russland an. Endgültig wurde der Kampftag 1921 auf den 8. März festgelegt.

Wenn also heutzutage am 8. März überall Blumen und rosa Gadgets angeboten werden, werden auf sehr tumbe Weise die harten Kämpfe ignoriert, die zur Einführung dieses Tages geführt haben und auch heute noch von immenser Relevanz sind.

Schließlich zeigt sich – Profit für den Kapitalismus hin oder her – derzeit in vielen Ländern exemplarisch, wie schnell einmal erkämpfte Rechte auch wieder zurückgenommen werden können.

 

Wie feiert man jetzt eigentlich den 8. März?

Am 8. März eine wilde Party zu feiern und auch das gegenseitige Beschenken sind nicht verboten oder unerwünscht, würde in den meisten Fällen jedoch zu Verschleierung des tatsächlich Wichtigen führen.

Daher stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob es wohl den einen Weg gibt, diesen Feiertag richtig zu begehen.

Mittlerweile wird zum Beispiel im Zeitraum vom 8. März bis zum 8. April (hauptsächlich in Berlin) der Romnja* Power Month gefeiert. Lesungen, Demonstrationen, Interviews, Workshops, Podiumsdiskussionen und Ausstellungen dienen dazu, Sintizze und Romnja* „als künstlerisch, wissenschaftlich und gesellschaftskritisch handelnde Akteurinnen* hervor(zu)heben und ihre Arbeiten einem breiten Publikum vor(zu)stellen“[4]. Im Vordergrund steht insbesondere auch die Intention, klarzumachen, dass es „a whole range of gender identities (not just female and male)“ gibt, die Opfer von „gender violence“ und Feminiziden sind.

Australien beispielsweise veranstaltet ebenfalls öffentliche Diskussionen und Proteste, um auf Themen wie Vielfalt und Repräsentation hinzuweisen. In Argentinien werden traditionell nur (cis)Frauen an diesem Tag beschenkt, vorbildlich ist hingegen, dass Themen wie Sicherheit für Frauen in der Öffentlichkeit zur Sprache kommen. In Chile trägt man am 8.März als Symbol für das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung grüne Taschentücher oder Bänder.

Den einen richtigen Weg gibt es wohl nicht. Dass Städte und Staaten jedoch Initiative ergreifen müssen, um Aufklärungsarbeit zu leisten, anstatt die Kommerzialisierung des Tages anzuheizen, ist klar.

 

Was bringt ein gesetzlicher Feiertag?

Einen Tag zu einem Feiertag zu machen, bedeutet, Arbeitnehmer*innen einen freien Tag zu geben, Schulen, KiTas und Ämter bleiben geschlossen.

Seit 2019 ist der 8. März in Berlin ein Feiertag. In Mecklenburg-Vorpommern wird dieser Tag 2023 nach einer Volksabstimmung im letzten Jahr das erste Mal ein Feiertag sein.

Weltweit ist der feministische Kampftag in über 20 Ländern gesetzlicher Feiertag, darunter Eritrea, Nordkorea und Russland.

Ändert aber ausgerechnet ein gesetzlicher Feiertag etwas an den Rechten von FLINTA*?

Ein zusätzlicher freier Tag klingt für die meisten wohl zuerst recht angenehm. Einigkeit würde wohl aber sicher herrschen bei dem Fakt, dass ein zusätzlicher freier Tag nicht wirklich ein politisches Zeichen der Gleichstellung an sich ist.

Die evident existierenden Probleme wie die Gender Paygap alles andere werden ja nicht behoben, nur weil 83 Millionen Menschen oder das Land Hessen nicht zur Arbeit gehen. Zumal es leider oftmals die Frauen sind, die sich um die Kinder kümmern, wenn KiTas und Schulen geschlossen sind.

Dass ein gesetzlicher Feiertag aber wichtigen Themen bislang mangelnde Aufmerksamkeit schenken würde, ist kaum zu leugnen. Deshalb sagt Phoung Thanh Tran: „Der 8. März muss ein gesetzlicher Feiertag werden. FLINTA*-Personen machen über die Hälfte der Weltbevölkerung aus und werden noch immer systematisch diskriminiert.“

Daher müsste man den Feiertag sinnvoll nutzen. Es läge dann an den Städten und Organisationen, Zeit und Raum zu schaffen, um aufzuklären, mit dem Finger in die Wunden zu bohren. Es müsste Demos, Aufklärungskampagnen und Veranstaltungen für Groß und Klein geben. Es müsste klar werden, dass der Feiertag explizit auf die Diskrepanz zwischen Verankerung im Grundgesetz und der Umsetzung in der Realität hinweist.

Ein Feiertag ist daher nur sinnvoll, wenn mit dessen Einrichtung auch ein Tagesprogramm oder Veranstaltungen stattfinden, die für alle zugänglich sind und den Zusammenhang zwischen feministischem Kampftag und einem freien Arbeitstag herstellen.

 

Zeit für einen Umbruch!

Caroline Criado Perez beschreibt in ihrem Buch Invisible Women umfassend, in wie vielen Lebensbereichen (vom öffentlichen Verkehr über die Stadtplanung und Verkehrssicherheit bis hin zu Musikinstrumenten und Mobiltelefonen) die Welt nicht für FLINTA* gemacht ist. Dies lässt sich leider nicht von heute auf morgen ändern.

Ansätze wie Gender Budgeting sind zwar wahnsinnig spannend und bergen sehr viel Potenzial, sind für diesen Artikel jedoch zu komplex. Wer sich aber für die Themen interessiert, kann sich gerne am Ende des Artikels von unseren Lese- und Filmempfehlungen inspirieren lassen.

Es ist jetzt genauso wichtig wie für die Frauen vor 100 Jahren und es wird auch weiterhin notwendig bleiben, sich immer wieder Gehör zu verschaffen, am Ball zu bleiben, Rechte einzufordern und vor allem die Repräsentanz von FLINTA* in allen Bereichen und auf allen Ebenen zu erhöhen.

„Noch heute kämpfen wir für Gleichstellung, Gleichberechtigung der Geschlechter sowie die Emanzipation, für Brot und Rosen, also guten Lohn und menschenwürdige Arbeits- und Lebensumgebungen“, fasst Daniela Mehler-Würzbach es treffend zusammen.

Dabei kann ein internationaler feministischer Kampftag helfen, aber besser wäre es (für alle Geschlechter!), wenn das ganze Jahr über feministischer Kampftag wäre.

 

Wer Lust hat, sich weiter zu informieren über das Thema Feminismus, 8. März oder Gleichberechtigung, kann sich von unseren Lese- und Filmempfehlungen inspirieren lassen.

 

Leseempfehlungen:

https://www.lucyda.de/real-life/ich-mein-ja-nur/diese-glueckwuensche-braucht-kein-mensch/#:~:text=Dazu%20gratuliert%20man%20nicht.&text=Dein%20%E2%80%9EAlles%20Gute%20zum%20Frauentag,etwas%20gegeben%20wird%20%E2%80%93%20n%C3%A4mlich%20Gl%C3%BCckw%C3%BCnsche.

https://www.deutschlandfunk.de/feministischer-kampftag-hengameh-yaghoobifarah-es-geht-ganz-100.html

Caroline Criado-Perez: Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert. Btb 2020. Aus dem Englischen von Stephanie Singh.

Mackenzi Lee: Kick-Ass Women. 52 Wahre Heldinnen. Suhrkamp Nova 2020. Aus dem Englischen von Jenny Merling.

Sämtliche Graphic Novels von Liv Strömquist, z.B.:

Liv Strömquist: Der Ursprung der Welt. Avant Verlag 2017. Aus dem Schwedischen von Katharina Erben.

Liv Strömquist: Der Ursprung der Liebe. Avant Verlag 2018. Aus dem Schwedischen von Katharina Erben.

Liv Strömquist: Ich fühl’s nicht. Avant Verlag 2020. Aus dem Schwedischen von Katharina Erben.

Sharon Dodua Otoo: Adas Raum. S. Fischer Verlag 2021.

Hengameh Yaghoobifarah: Ministerium der Träume. Blumenbar 2021.

Margarete Stokowski: Untenrum frei. Rowohlt 2016.

Margarete Stokowski: Die letzten Tage des Patriarchats. Rowohlt 2018.

Nicole Seifert: Frauen Literatur. Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt. Kiepenheuer & Witsch 2021.

 

Dokumentationen:

https://www.youtube.com/watch?v=WmBxubftzyU&ab_channel=DWDeutsch

#Female Pleasure (verschiedene Streamingdienste)

RBG (Ruth Bader Ginsburg) – ein Leben für die Gerechtigkeit (verschiedene Streamingdienste)

Feminists: What Were They Thinking? (auf Netflix)

Mis(s) Representation (aktuell nur noch Trailer verfügbar: https://www.youtube.com/watch?v=a8SfHcf_pvM)

 

Filme:

Hidden Figures (auf Disney+)

Suffragette (auf Netflix)

Little Women (auf Netflix)

Colette (auf Netflix)

Promising Young Woman (verschiedene Streamingdienste)

The Hours (auf Netflix)

 

 

 

[1] Frauen, Lesben, Inter, Non-Binary, Trans, Agender*

[2] Phuong Thanh Tran, Fraktionsreferentin DIE LINKE. im Römer

[3] Kandidatin für die OB-Wahl für Frankfurt am Main 2023, DIE LINKE. im Römer

[4] https://www.romnja-power.de/romnja-power-month/

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