Die Syntax der Sterne

Maja Loewe: weil du ein fell aus sternen trägst. Gedichte, Geest-Verlag, Vechta 2022, ISBN: 978-3-86685-914-2, 116 Seiten, Taschenbuch, 12 € (D)

Rezension von Alena Vogel

Maja Loewes Lyrik vermittelt eine sanfte Leichtigkeit, entführt auf eine sehr nahbare Art und Weise in unbeschwerte Sommertage, aber auch in nachdenkliche Sphären. Immer wieder ist die Verbundenheit mit der Natur und vor allem mit dem Meer deutlich spürbar. Das Ich ist verwoben mit seiner Umgebung, und neben Gärten, der Küste und dem Meer treten auch Häuser als eigene Protagonisten auf. Land und Wasser werden vermessen, im Traum erlebt, mit dem Haus als Lebensraum und mit dem Schreiben selbst in symbiotische Verbindung gebracht, während u.a. Kindheitserinnerungen, zwischenmenschliche Beziehungen, Sehnsucht und Fernweh thematisiert werden.

Jedes der Gedichte birgt eine ganz eigene, besondere Stimmung, die man durch Loewes treffsichere und geschickte Wortkompositionen sofort zu erfassen glaubt und die dabei stets ein hohes Identifikationspotenzial besitzt.

Das Dichten und die Natur treten oft als Einheit auf. So entpuppt sich das Schreiben mal als systematischer Prozess, mal als geradezu mystische Erfahrung, oft auch in Verbindung mit dem Motiv des Hauses:

„hinter meinen lidern glimmt / die syntax der sterne / und ich berechne die dichte / der verse im traum“ (und nachts knirscht der mond)

„wir kämmen / die verse aus den wellen / legen sie in / die bäuche der muscheln“ (auf deinen seekarten)

„im zeilenklang der pappeln / atme ich die sprache / auseinander / atme sätze / übers verrauschte land“ (im zeilenklang der pappeln)

„Mein Sommerhaus / ist silbenbefallen / und aus Papier / Ich falte es / in einen Umschlag / und schicke es dir“ (Mein Sommerhaus)

„lege sechskantige silben auf / die hellen schultern der landschaft / in den wind gestreute vokale“
(ich schlage meine zähne in die wolken)

Gerade die wiederkehrende Verbindung des statischen Hauses mit dem immer in Bewegung befindlichen Meer hat mir gut gefallen:

„Küstenberge klaffen aus Schubladen / Azurblaue Wellen brechen / an der Kante meines Atems entzwei / Ich sortiere die Fische in meinem Schrank / nach Größe und Farbe“ (Eine Düne)

Mit phantasievollen Wortschöpfungen wie „Flutsaum“, „gezeitenblind“ (II. In der Nacht), „Mondlichthaut“ oder Herzkindersommer“ (Wenn Großmutter) verleiht Loewe dem Gesagten gekonnt Tiefe und schafft eine ausdrucksstarke Atmosphäre.

Gelegentlich werden auch ernstere Töne angeschlagen. So wird beispielsweise der Umgang der reicheren Länder mit Geflüchteten kritisiert:

„Für Menschen aus sicheren Herkunftsländern. Für Menschen aus reichen Herkunftsländern. Der Screen teilt uns in zwei Hälften. Zwischen den Zelten schieben sich DIE ANDEREN Menschen durch den Dreck.“ (Weißt du noch, Idomeni? Triptychon.)

Vor allem Loewes Motivwahl und ihre einfallsreiche Sprache haben mich sehr fasziniert. Man bekommt Lust, immer wieder neu in diese Stimmungswelt zwischen Land und Wasser einzutauchen. Ein Lyrikband, den man mehrmals lesen und verschenken möchte!

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