Über einen, der zu viel liest und zwanghaft andere daran teilhaben lässt
Die Redaktion weist darauf hin, dass sie für schwache Nerven keinerlei Haftung übernimmt. Auch nicht für eine Allergie gegen deutliche Worte. Daher sollte sich der eine oder die anderen hinsetzen, bevor ersiees sich diesen Brief zu Gemüte führt.
Danke für Ihr großherziges Verständnis. Bleiben Sie uns dennoch gewogen. Wir konnten nicht anders. Obschon wir es andernort können, wie man lesen kann.
„Ich liebe euch doch alle!“ (Erich Mielke) – dem wollen wir uns anschließen.
Rezension von Dieter Feist
Björn Vedder, SOLIDARISCHE KÖRPER – Die Aufweichung des Hardbodys in der flüssigen Moderne, Büchner-Verlag, Marburg, 2022, 156 Seiten, 14,5 x 20,5 cm, Klappenbroschur, ISBN 978-3-96317-285-4 (Print), 18,00 € (Print), ISBN 978-3-96317-827-6 (ePDF), 13,99 € (ePDF), ISBN 978-3-96317-828-3 (ePUB), 13,99 € (ePUB)
Lieber Freund,
vielen Dank für die Zusendung des Buches. Es ehrt mich, dass Sie meine Meinung dazu erfahren wollen. Leider wird es nun keine richtige Besprechung werden, obwohl ich das Buch (fast ganz) gelesen habe. Aber das Thema und die Art seiner Behandlung liegen wirklich weit außerhalb meiner Interessen.
Der Autor wollte in der Zeit des Corona-Lockdowns fit bleiben (eigentlich recht vernünftig), hat es dann für nötig befunden, sich mit Hilfe eines persönlichen Online-Trainers zu einem „Hardbody“ zu stählen (seine Sache), um danach über diesen Zustand im Persönlichen und im weitschweifenden Allgemeinen über viele Buchseiten zu philosophieren (hätte m. E. nicht sein müssen).
Vielleicht ist es gar nicht gut, wenn einer zu viel gelesen hat und alles weiß. Was jemand sich zuführt, muss auch wieder raus, und ob das alles ganz verdaut war, entzieht sich in diesem Falle meiner Kenntnis (weil ich nicht alles weiß). Die gesellschaftliche Relevanz des Phänomens „Hardbody“ hat sich mir trotz der vielen Zitate, Belege und deren Ausführungen nicht erschlossen.
Ginge es in seinem Buch allgemeiner um die „Idealisierung des Körpers“, wäre das etwas anderes. Die Sucht nach dem perfekten Aussehen hat heute schon eine erhebliche Brisanz, wie man es ständig allen Medien – auch den sozialen – entnehmen kann. Das aber hätte das herrschende stereotype Frauenbild ebenso einbeziehen müssen wie den männlichen „Hardbody“ und eventuell zu anderen Schlussfolgerungen und Kritikpunkten geführt. Und ein historischer Blick zurück hätte auch gezeigt, dass die Idealisierung durch die Menschheitsgeschichte keineswegs immer dem heutigen Körperschema entsprochen hat.
Um es kurz zu machen und meinen anfänglichen Gedanken noch einmal aufzunehmen. Die Welt des Autors (zumindest in diesem Buch) ist nicht die meine. Mit der Reduzierung auf die schiere Körperlichkeit kann ich auch in den einschlägigen Fernsehshows nichts anfangen.
Wenn Sie wollen, sende ich Ihnen das Buch zurück, vielleicht findet sich jemand, der das Thema besser zu würdigen weiß als ich.
Ich grüße Sie mit der Gewissheit, dass unsere gemeinsame Liebe zum geschriebenen Wort uns weiterhin zu fruchtbarem Gedankenaustausch führen wird.
Immerwährend, Dieter Feist
Schönen guten Tag,
bei den Männern ist es der Hardbody, bei den Frauen ist es die Kombination aus straffen Bauchmuskeln und Kim-Kardashian-Po.
Als es losging mit der Pandemie, fing ich auch an mit Training und Diät. Allerdings vor allem deshalb, weil ich nach zehn Jahren, in denen ich mich aufgrund meiner progressiven MS nur schlecht bewegen konnte und am Stock ging, durch ein neues Medikament meine Beweglichkeit Stück für Stück zurückerhielt. In den zehn Jahren hatten sich einige (!!) Kilo angesammelt, und meine Muskeln waren in etwa so straff wie nasse Nudeln.
Da ich von Training keine Ahnung hatte, habe ich mich natürlich nach Informationen umgeschaut. Oh boy. Das ist vielleicht ein toxisches Minenfeld, holla die Waldfee. Dabei wollte ich doch gar nicht sexy und schön werden, sondern fit und gesund. Da muss man eine Weile suchen, bis man etwas findet, was den Körperkult außen vor lässt! Umgekehrt gibt es zig Seiten/Bücher/Podcasts, die verkünden: Du bist auch dann schön und gesund, wenn du 400 Kilo wiegst. (Hmm. Ich bezweifle das „gesund“.)
Inzwischen habe ich festgestellt: a) das Internet macht alles kaputt und b) verflixt noch mal, man kann auch ohne ausgeklügelten, nach Muskelgruppen sortierten Wochenplan trainieren, wenn man nicht gerade Miss Universum werden will. Und überhaupt, statt stundenlang zu recherchieren, wie ich den perfekten Beachbody kriege, lese ich doch lieber. (Habe trotzdem schon 18 Kilogramm verloren. Geht doch.)
Gratulation!, sagt dankend die Redaktion.