Schreibwerkstatt für Kinder und Jugendliche

An Worten wachsen: Der Nutzen einer Schreibwerkstatt für Kinder und Jugendliche

Bericht von Dörthe Huth

In den letzten Jahren habe ich einige Schreibwerkstätten für Kinder und Jugendliche geleitet. Hier fasse ich meine Erfahrungen zusammen und gebe eine praxisnahen Einblick für alle Interessierten.

Kreativität im Fokus

An meinen Schreibwerkstätten haben in den letzten Jahren in der Regel zwischen sechs und zehn Kinder und Jugendliche im Alter von zehn bis vierzehn Jahren teilgenommen. Je nach Förderart finden einige Kurse an fünf Tagen statt, andere an drei. Grundsätzlich können die Teilnehmer*innen während dieser Zeit Texte aller Art schreiben. Die meisten sind daran interessiert, eine eigene Geschichte zu entwickeln. Daneben entstehen meist auch Gedichte und kurze Sachtexte. Die jungen Talente erhalten Anleitung, ihre eigenen Ideen zu verfolgen, Sprache gezielt einzusetzen und die Freude am Schreiben zu spüren. Diese Form der Förderung zielt nicht auf schulische Standards und Leistungserbringung, sondern legt den Fokus primär auf Kreativität, Selbstmotivation und persönlichen Ausdruck. Insofern stehen in der Schreibwerkstatt auch nicht die Korrekturen von Rechtschreibfehlern und Grammatik im Vordergrund, sondern der kreative Prozess selbst. Dies stärkt die Persönlichkeit und gibt den jungen Autor*innen einen Selbstbewusstseinsschub. Je nach Vorerfahrungen und Alter der Kinder ist dies ein Prozess, der engmaschige und individuelle Anleitung und Betreuung erfordert. Ich staune immer wieder darüber, wie viel kreatives Potential in den Nachwuchs-Autor*innen steckt.

Die Inhalte der Schreibwerkstatt

Zu Beginn geht es erst einmal darum, Vertrauen herzustellen und Orientierung zu geben, denn das ist die Voraussetzung dafür, dass die jungen Teilnehmer*innen sich mit ihren Ideen und Texten einbringen. Meist wurde die Schreibwerksstatt unter einem bestimmten Motto ausgeschrieben, wie „Magische Wesen“, „Nur mal kurz den Planeten retten“ oder „Schreib, was du willst“. Dementsprechend haben viele Teilnehmer*innen schon im Vorfeld eigene Ideen im Kopf, die nach einer kurzen Anlaufphase im Workshop zu sprudeln beginnen. Als Warmups experimentieren wir mit unterschiedlichen Schreibspielen, erfinden Fantasiewörter oder überlegen die mögliche Bedeutung unbekannter Fremdwörter. Auf diese Weise werden Hemmungen abgebaut und die Befürchtungen, etwas falsch zu machen, gemindert. Je nach Schwerpunkt der Schreibwerkstatt beschäftigen wir uns anschließend mit dem Aufbau von Gedichten und Geschichten, mit Charakteren, anderen Welten und Spannungsaufbau. Manchmal diskutieren wir auch über bestimmte Bücher und Filme oder machen einen Fantasiespaziergang durch die Natur, um zu ergründen, woher unsere Ideen eigentlich kommen oder wie man Sinneserfahrungen verschriftlichen kann. Zwischendurch probieren wir kreative Materialien aus, um unterschiedliche Texte auf verschiedene Weisen entstehen zu lassen. Dabei entstehen wunderbare Kunstwerke, wie Zeichnungen zu den Geschichten, Leporellos und Schriftbilder. Zudem werden die Kinder angeleitet, anderen Teilnehmer*innen konkretes Feedback zu geben und ein solches auch von den anderen anzunehmen. 

Was bringt es einem Kind, eigene Geschichten zu erfinden?

Das kreative Schreiben erfordert komplexe Fähigkeiten, die aufeinander aufbauen und miteinander abgestimmt werden müssen. Die Kinder brauchen zu Beginn Motivation und Fantasie, dann müssen sie konkrete Ideen auswählen und diese in eine Gesamthandlung einpassen. In den Geschichten versetzen sich die jungen Autor*innen in ihren Hauptcharakter und nehmen dessen Perspektive ein. Die Fähigkeit zu solchen Perspektivwechseln ist nicht nur für das kreative Schreiben von Nutzen, sondern auch für andere Lebensbereiche, weil es das offene Denken und Problemlösungsfähigkeiten fördert.
Manchmal finden sich in der Schreibwerkstatt Kleingruppen zusammen, die gemeinsam eine Geschichte schreiben möchten. Eine solche Gemeinschaftsgeschichte fordert die Beteiligten besonders heraus, denn sie müssen sich auf bestimmte Figuren, Dialoge und einen Handlungsstrang einigen. Nach erhitzten Gemütern und vielen Diskussionen erleben die Teilnehmer*innen, wie bereichernd eine kooperative Zusammenarbeit ist, die am Ende dazu führt, eine fertige Geschichte präsentieren zu können.
Insgesamt müssen beim kreativen Schreiben die Gedanken kleinschrittig strukturiert und in eine entsprechende Schriftform gebracht werden.  Wer sich bewusst Zeit zum Schreiben nimmt, schafft sich die Möglichkeit, seine Gedanken zu ordnen, den Blick auf die Welt zu erweitern und sich verständlich auszudrücken.

Schreiben als selbstbestimmter Prozess

In der Schreibwerkstatt werden die individuellen Stärken betont, die jedes Kind hat. Es geht nicht darum, etwas nach Vorgaben leisten zu müssen, sondern auf spielerische Weise und dem eigenen Stand entsprechend mit Sprache zu experimentieren. Meist kommen die Kinder mit vielen ungefilterten Ideen, die sie mit etwas Anleitung recht schnell selbst strukturieren und zu einem Text formen. Dabei entscheiden die Teilnehmer*innen frei, worüber sie schreiben, welchen Verlauf der eigene Text nimmt, wie er klingt und wie er ausgestaltet wird. Dabei bemerke ich immer wieder, dass die Teilnehmer*innen sich an jedem selbst geschriebenen Wort und jeder eigenen Idee festhalten. Sie wollen über ihren eigenen Text selbst bestimmen. Diese Haltung grenzt sich klar vom schulischen Unterricht ab, wo Themenvorgaben, Beurteilungen und Noten die freie Kreativität eingrenzen. Leistungsdruck ist bereits für Grundschulkinder allgegenwärtig: Hausaufgaben, Tests und Anforderungen verinnerlichen früh das Gefühl des ständigen Bewertet werdens, was das Schreiben zu einer Pflicht macht und so manchen zu der Erkenntnis gelangen lässt, dass Schreiben und Lesen langweilig sind.
Die Schreibwerkstatt ist ein Ort für diejenigen, die sich die Freude am Schreiben bewahren wollen. Würden die Texte der Schreibwerkstatt nach schulischen Maßstäben beurteilt, würde schnell eine Leistungsdruck entstehen, der die Offenheit und Experimentierfreude der jungen Autor*innnen hemmt. Meine Aufgabe als Leiterin einer solchen Schreibwerkstatt ist es, die individuellen Stärken der Teilnehmer*innen zu fördern. Dazu gibt es konstruktives Feedback und Tipps für diejenigen, die offen dafür sind. Auf diese Weise erleben die jungen Autor*innen das Schreiben als selbstbestimmten Prozess. 

Kinder und Jugendliche brauchen mehr geförderte Schreibwerkstätten

Wo und wie Schreibwerkstätten angeboten werden, ist von Region zu Region verschieden. Meist laufen sie über Literaturhäuser, Bibliotheken und Vereine. Die Digitale Drehtür bietet als länderübergreifendes Projekt verschiedene Lernangebote ab der Grundschule an, darunter auch Selbstlernmodule zum kreativen Schreiben sowie eine Online-Schreibwerkstatt. In Nordrhein Westfalen gibt es ein besonderes vielfältiges Angebot über das SchreibLand NRW in Kooperation mit verschiedenen Bibliotheken. Dazu gehört am Ende eine Abschlusspräsentation, in der die jungen Autor*innen ihre Werke vor Eltern und Geschwistern vortragen. Dabei zeigt sich jedes Mal wieder, dass sich Einsatz und Engagement der jungen Talente voll und ganz gelohnt haben. Diesen Erfahrungen zufolge wünsche ich mir, dass weitere Einrichtungen geförderte Schreibwerkstätten für Kinder und Jugendliche anbieten, und mehr Eltern und Lehrkräfte Schreibwerkstätten als sinnvolle Freizeitbeschäftigung erkennen und empfehlen. Die Teilnahme sollte unabhängig vom Einkommen der Eltern erfolgen können, damit die Hürde für Kinder und Jugendliche möglichst gering ist, deren Eltern den Nutzen einer Schreibwerkstatt nicht erkennen, und auch denjenigen ermöglicht werden kann, deren Eltern finanziell nicht so gut aufgestellt sind.

Zum Weiterlesen

Schreibwerkstätten über das SchreibLand NRW

Kulturrucksack NRW

Buchkinder Leipzig

Digitale Drehtür allgemeine Infos

Live-Kurse Digitale Drehtür

 

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