Erzählt. Aber richtig gut.

Eric-Emmanuel Schmitt, Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran – Erzählung -, aus dem Französischen von Anette und Paul Bäcker, Amann Verlag, Zürich 2003, ISBN 3-250-60055-5

Man liest im Laufe seines Lebens viel wirklich sinnloses Zeugs. Wenigstens als Entspannugsvielverwerter, wie der Rezensent einer ist, der durchaus dazu steht, gelegentlich absichtsvoll mehr oder minder hochwertigen Schund verschiedener Sprachen und Genres zum Einschlafen und dem Stillen Örtchen zu „vernichten“. Papier muß schon sehr geduldig sein, schießt es einem da immer wieder durch den Kopf.

Die vorliegende Erzählung kommt zuerst genauso federleicht daher wie manches dieser bewußten „Werke“. Der Plot „dicker Pummel in unvollkommener Familie, die das Unglück anzieht wie das bewußte Pech, trifft alten weisen Mann“ lädt dazu ein, die Sache insgesamt als eher leicht und oberflächlich zu betrachten. Die eher einfache kindlich angehauchte Sprache hat die Übersetzung aus dem Französischen hervorragend überstanden, Kompliment den beiden Übersetzern. Gelegentliche Kommafehler und die etwas hudelige Endkorrektur können diesen Eindruck vielleicht etwas schmälern, aber nicht wirklich beschädigen.

Wie so häufig schleicht auf den sanften Pfoten des kindlichen Blickwinkels manche schwerverdauliche Lebensweisheit sich in die Gehirngänge, um dann dort im Nachdenken ihre eigentliche Kraft zu entfalten. Und ist es nicht so, daß Alter, Weisheit und Jugend, der alte und der junge „Narr“, in diesem Fall als Figur der Lebenserklärung durch Vorhalten des närrischen Zerrspiegels, so wunderbar geeignet sind, das Leben zu erklären? Und ist es nicht des Weiteren so, daß Opa und Enkel häufig eine merkwürdige Kumpanei eingehen, weil der eine noch – in seiner Naivität radikal sein kann und der andere es wieder, weil er nichts mehr zu verlieren hat, schon gar nicht einen Ruf?

Der Araber im jüdischen Viertel, der Koran im Spiegel von Altem Testament und Thora: Welch eine Parabel, über das, was Glauben und Humanität, was Menschlichkeit wirklich heißen, und das im Zeitalter von El Quaida, Intifada und Antisemitismus! Und so kommt der kleine Pummel am Ende an seinem Ziel an: ein Erwachsener, ein ganzer Mensch zu sein. Ein Mensch, der mehr ist als eine Hülse falsch verstandener Glaubenssätze, mehr als ein Getriebener seiner Lüste und Sehnsüchte, ohne sich dieser zu schämen.

Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten, weil auch die kleine Geschichte selbst ihren Reiz hat. Und, nur knapp 100 Seiten lang, nur wahrlich selbst gelesen werden kann. Empfehlung: ein eindeutiger Kauf, echte Weltliteratur im Kleinformat. Meint jedenfalls der Rezensent, in typischer Bescheidenheit…

Netfinder: http://www.ammann.ch/

Weltweitweb, im Dezember 2005

Walther

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