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Das schwere Kreuz mit der Familie

Rezension von Walther

Catrin Ponciano, Rache im Alentejo, Emons Verlag, Köln 2022, ISBN 978-3-7408- 1574-5, 256 Seiten, Broschur, 13,5 x 20,5 cm, 13,00 € [DE] 13,40 € [AT]

Dass Nomen Omen est, wussten nicht nur die ollen Römer, die ja, wie wir uns aus der Schule erinnern, die romanischen Sprachen auf der iberischen Halbinsel hinterlassen haben, von denen es mindestens deren drei gibt: Katalanisch, Portugiesisch und Spanisch. Ein/e Jede/r von uns trägt mit dem Familiennamen nicht selten ein gehöriges Päckchen Familiengeschichte(n) mit sich herum – und nicht selten ist ebendiese eine echte Spaßbreme.
Die Steigerung dessen ist, wenn das lebende Familienoberhaupt dunkle Verbindungen, Verantwortung und Schuld aus Verstrickungen während einer noch dunkleren Vergangenheit des Vater- oder Mutterlandes hatte – deren Fäden bis ins Heute hineinreichen. Dora Monteiro – aus dem Polizeidienst ausgeschiedene Ex-Inspetora-Chefe der Lissabonner Polizei – gerät tief und tiefer in den Strudel verbliebener Reste schwärzester Machenschaften aus der Zeit vor der Nelkenrevolution, die sich an dem Ort abspielten (und noch spielen), an dem sie wesentliche Phasen ihrer Jugend verbracht hatte: dem sagenumwobenen Alentejo mit noch weitgehend unzerstörter Landschaft, seinen Stränden, dem Fischerort auf Holzplanken – einem EU-geschützten Umwelt-Paradies, dessen Ausverkauf und anschließende Vernichtung durch verbrecherische Spekulanten droht.

Aller Anfang ist ein Mord. Wenigstens, wenn es um einen Krimi geht, in dem die gewitzt-gewiefte, wohlgerundet hübsche Ex-Kriminalistin Dora Monteiro die Hauptrolle gibt. Ihr wildes Kraushaar und ihr dunkler Teint sind auf ihre kapverdischen Wurzeln zurückzuführen, die sie auch diesmal wieder die eingebildete rassische Überlegenheit spüren lassen, der sich der permanente Kampf der weiblichen Hälfte der Menschheit zugesellt, so ernst genommen zu werden, wie es sich an und für sich gehörte.
Sie wird von ihrem Jugendfreund zu Hilfe gerufen, der einen Mord am wahrscheinlichen Mörder seines Vaters – eine Rachetat also – begangen haben soll. Der Mord a dessen Vater vor nahezu zwei Jahrzehnten ist bis heute nicht aufgeklärt. Sehr schnell erkennt die kluge, auf eigene Faust agierende, Privatermittlerin, dass die beiden Morde zusammenhängen und dass diese mit einem gigantischen Immobilienkomplott zu tun haben, das gerade im Hintergrund abläuft – der immergleichen Ziele wegen: mehr Geld, mehr Tourismus, weniger Umwelt, weniger traditionsreiche lokale Fischerei. Der Preis dafür ist einerlei. Auch der Verlust von Menschenleben wird dafür genommen oder sogar angestiftet.

Ganz nebenbei erkennt auch der neue Chefinspektor der Mordkommission aus dem nahen Lissabon, dass die regionalen Landpolizisten korrupt sind und sich ungestraft so aufführen, als regierte der alte Salazar noch. Die alten Seilschaften sind noch in Takt. Die Zeit scheint still zu stehen und im tiefsten Gestern zu verharren. Diese Gemengelage verbindet die Autorin kongenial mit einer Liebesgeschichte unter Raben, einer neuen heißen Liebe der Heldin mit geradezu unglaublichen familiären Verstrickungen der Familie des Großgrundbesitzers, deren Dramatik und Spannungspotential man sich zuerst gar nicht vorstellen kann.
Natürlich kommen auch diesmal Kulinarik, Portugals Geschichte und Politik von Damals und Heute sowie die schlimmsten menschlichen Abgründe und höchsten Höhen nicht zu kurz. Mehr soll nicht verraten werden. Das Buch erhält eine klare Leseempfehlung.

Die sympathische Heldin verlangt nach einer dritten Fortsetzung, auf die man gespannt ist, wenn man die ersten beiden Bände mit großer Freude gelesen hat!

 

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