Trick siebzehn mit Selbstüberlistung – Rezension

von Walther

Eric Berg, Totendamm, Originaltitel: So bitter die Rache, Originalverlag: Limes Verlag, München 2018, Taschenbuch, Klappenbroschur, 448 Seiten, 11,8 x 18,7 cm, diese Ausgabe: Blanvalet, München 2020, ISBN: 978-3-7341-0747-4, 412 S., Taschenbuch, € 9,90

Neuer Titel, neues Glück: Warum nicht. Der Großverlag RandomHouse, der Teil der Bertelsmann-Gruppe ist, hat unter seinem Dach eine ganze Menge von Imprints versammelt, die jeweils unterschiedliche Lesersegmente erreichen sollen und über getrennte Marketingmaschinen und -maschen ansprechen. Eric Berg als Autor des Ostsee-Krimis zu repositionieren, ist eine kluge Strategie: Der Regionalkrimi boomt, also warum nicht diese Welle ebenfalls reiten.
Der Rezensent ist durchaus der Ansicht, dass auch Literatur ein Business ist, das man macht, um damit Geld zu verdienen. Es ist weder dem Verlag noch dem Autor anzukreiden, dass ein Verdienstinteresse verfolgt wird. Im Gegenteil: Wir von zugetextet.com sagen im Feedback unserer Lesungen mit unseren Autor*innen immer deutlich, dass man als SchriftstellerIn neben der Herstellung des Werks immer auch sein bester Verkäufer sein muss. Wer vom Schreiben leben will, muss sich gelegentlich „geben“. Von selbst passiert nichts – außer dem einen oder anderen Mord, der sich eher als Unfall geriert, wenigstens aus der Sicht der Täter*innen.
Sicherlich erhebt sich die bange Frage nach Sinn und Unsinn dieser ausführlichen Vorrede. Wie wir gleich sehen werden, hat sie sehr wohl mit dieser Rezension etwas zu tun.

Eric Berg ist ein sehr begabter Schriftsteller, der ein Meister seines Sprachhandwerks ist. Das durchzieht diesen Band an vielen schönen Textstellen. Sei es, wie er die Wirkung der Landschaft auf den Gemütszustand der Protagonisten beschreibt; wie er innere Gedanken- und Gefühlstürmen seiner handelnden Personen auffaltet; wie er sich empathisch in eine autistische junge Frau und einen behinderten jungen Mann hineinfühlt; wie er den Lebensfrust einer eingetrockneten alten Jungfer ausbreitet und die Verschrobenheit eines alternden Staatsanwalts. Immer wieder weiß er sprachliche Highlights zu setzen, die man in mittelmäßigen Regionalkriminalromanen nicht vermutet. Auch die Landschaftsbeschreibungen der Ostseeregion bei Heiligendamm und in den albanische Bergen sind vom Feinsten. Ja, Eric Berg, das darf und muss man festhalten, kann schreiben. Und zwar überdurchschnittlich gut.
Leider sind wir mit der Lobeshymne jetzt am Ende und stoßen zu dem Teil der Besprechung vor, die diesen guten Eindruck eintrübt. Da wäre zum Ersten der Plot. Die Story ist wirr und mit handelnden Personen völlig überladen. Einige der besten Protagonistenprofile wie das der Mutter eines der Mörder – ja, es sind mehrere, die zur gleichen Zeit zuschlagen, das Wie und Warum wollen wir jetzt nicht verraten – wird ausgerechnet für eine Person erstellt, deren Bedeutung im Gesamtgeschehen in keinster Weise die epische Breite rechtfertig – so gut das Profil auch ausgeführt sein mag. Dafür bleibt für die wirklich tragenden Personen nicht genug Raum, was dazu führt, dass wir dafür dort eine Ansammlung von Klischees geliefert bekommen, die auf dem Niveau des Groschenromans und wenig darüber chargieren. Das ist u.a. der Architektur der Handlungsstränge zu verdanken, die sich so verästeln, dass man als Leser sehr viel Leidensfähigkeit braucht, um das Buch nicht beiseite zu legen.
Diese Handlungsstränge werden zusätzlich immer wieder in einer Bräsigkeit ausgewalzt, die keinerlei Spannung und auch keinen echten Drive aufkommen lässt. Dass der Autor Eric Berg es besser kann, zeigt sein erster Krimi „Das Nebelhaus“ aus dem Jahr 2013, der 2017 als TV-Film aufgeführt wurde. Der Rezensent gibt freimütig zu, dass er das Lesen des Buchs abgebrochen hätte, wäre da nicht die zugesagte Rezension im Raum gestanden.

Nun zu behaupten, das Buch wäre schlecht, wäre maßlos übertrieben. Es mag am Krimigeschmack des Rezensenten liegen, der sich von einem Krimi weniger ein gemächliches Dahinplätschern und -gurgeln der Handlung als einen rauschenden, zupackenden Handlungsfluss erwartet. Und der davon ausgeht, dass gute Krimis auch so etwas wie eine Botschaft haben sollten, die über die sattsam bekannte und auf vielen Kanälen repetitiv bespielte Klischee des Cocktail saufenden Diplomaten, des nach Mottenkugeln riechenden bigotten Staatsanwalts und des herumvögelnden Sozialarbeiters von der Jugendbehörde erschöpfen – und einige Protagonisten herauszuarbeiten (die Frauen kommen meist insgesamt etwas besser weg). Ganz verrückt und überkandidelt aber ist die an den Haaren herbeigezogene Verwurstung der Blutrache in den Plot.
Der Band ist sicherlich etwas für Eric Berg Fans, und von denen gibt es genug. Denn sonst hätte er es trotz weiterer wenig überschäumender Kritiken nicht auf die Spiegelbeststellerliste geschafft. Damit wird jede Kritik sehr relativ, so auch diese. Denn schließlich geht es immer auch um das liebe Geld. Und das hat in den meisten Fällen nun einmal recht: Die Zahl der Käufer und Leser ist die letzte Instanz. Und der Rezensent hat seine dargelegte Meinung dagegenzustellen, die aber nur die seine ist und bleibt.

 

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