Cover Eine ansteckende Geschichte

Eine ansteckende Geschichte – Rezension

Caris-Petra Heidel: Eine ansteckende Geschichte. Was wir von historischen Seuchen über kommende lernen könn(t)en, Leykam, 2023, ISBN: 978-3-7011-8261-9, 320 Seiten, 25 € (D)

Rezension von Maja Seiffermann

Dass wir als Gesellschaft schon seit Jahrhunderten verschiedenen Seuchen zum Opfer fallen, gehört inzwischen wohl zum Allgemeinwissen. Wie genau aber Pest, Cholera, Spanische Grippe etc. verliefen, wie viele Menschen sie dem Leben entrissen oder wie die Eindämmung der Krankheitsausbreitung gehandhabt wurde, wissen wir weniger. Caris-Petra Heidel hat aus Anlass der Covidpandemie diese Mischung aus historischem Medizinsachbuch und Gesellschaftsspiegel verfasst und führt uns u.a. die Parallelen zwischen den damaligen und heutigen Zuständen und Umgangsweisen vor Augen.

Denn trotz konstantem Fortschritt in Forschung und Technik hat uns insbesondere die Covidpandemie gezeigt, welche Fehler wir seit Jahrhunderten begehen und dass Maßnahmen nicht immer dem Zeitgeist unserer sonst so modernen Zeit entsprechen. Dennoch geht es in diesem Buch nicht um die Aufarbeitung der Covidpandemie per se, sondern um das Lernen für die Zukunft durch fundiertes Wissen aus der Vergangenheit.

Die Geschichte des Umgangs mit Seuchen kann uns keine Rezepte für angemessenes politisches Handeln liefern – historische Situationen wiederholen sich nicht. Doch kann sie uns den Blick schärfen für die Indienstnahme der Gesundheitspolitik für letztlich sachfremde politische Ziele oder allgemeine Wertvorstellungen.

Heidel gibt einen ausführlichen Überblick über die Seuchen; allerdings sollte das Buch als Ausgangspunkt für die selbstständige weiterführende Recherche gesehen werden. Wer sich beispielsweise für Ebola oder Lepra interessiert oder tiefer in die bereits behandelte Materie einsteigen möchte, wird von diesem Buch herzlich eingeladen. Da es auch um die zunehmende Politisierung der Seuchen sowie das mediale Interesse und den Ton der Berichterstattung geht, werden Interessierte dieses Bereichs ebenfalls nicht enttäuscht.

Für Personen vom Fach oder gut Informierte bzw. Interessierte ist dieses Buch wahrscheinlich zu redundant. Von der Sprache her könnte es von Laien teilweise als zu detailliert angesehen werden und sollte sich deshalb nur in Häppchen zu Gemüte geführt werden.

Was die Autorin uns deutlich vor Augen führt, ist die erschreckende Tatsache, wie wenig wir fortschreiten. Ein sehr tief verankertes und gut erläutertes Thema ist die soziale Ungleichheit, die von Pandemien aller Art verstärkt wird. Die Autorin behandelt das Thema an den Beispielen Impfstoff, Zugang zur Gesundheitsversorgung oder Schutzmaßnahmen.

Das Buch ist sporadisch gefüllt mit Bildern, die den Text entlasten und eine lebendige Visualisierung von Vergangenem ermöglichen.

Leseprobe aus Kapitel 3: Der Schwarze Tod und das Ende der Welt:

Entsprechend der Empfehlungen der Pariser Universitätsgelehrten, (…), konzentrierten sich die medizinisch-therapeutischen und prophylaktischen Vorschläge zunächst auf diätische Vorschriften und Verhaltensmaßregeln. (…). (Es) wurde insbesondere eine ausgewogene Ernährung und nur mäßige körperliche Bewegung empfohlen, jede Anstrengung war zu vermeiden. Auf das Bad sollte möglichst verzichtet werden, damit sich nicht unnötig die Poren öffneten, durch die das Miasma in den Körper hätte eindringen können. Zudem war der richtige Wohnort zu wählen. Am allerbesten aber war es, sofort das von pestilenzialischer Luft betroffene Gebiet zu verlassen und möglichst weit zu fliehen (…). Diese Empfehlungen zu befolgen, konnte such allerdings nur eine kleine Schicht der Bevölkerung leisten. Allein eine „ausgewogene Ernährung“ war für viele Menschen schon vor der Pandemie kaum möglich. Angesichts des nun noch knapperen Angebots an Lebensmitteln bei gleichzeitiger Preissteigerung war dieses Vorhaben geradezu illusionär. Geflüchtet sind mehrheitlich diejenigen, die die damit verbundenen Kosten aufbringen konnten, also reiche Bürger. Die meisten Menschen waren familiär, sozial und wirtschaftlich ortsgebunden. Für die Ärzte aber war die medizinisch vernünftige Flucht vor der Pest rufschädigend. (S.89f)

 

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert