Dialogstarkes Debüt – Angela Lehners Vater Unser

von Oliver Bruskolini

Die Auswertung für Das Debüt 2019 läuft auf Hochtouren und mit Angela Lehners Vater Unser erscheint an dieser Stelle die vierte zugetextet-Rezension für den diesjährigen Bloggerpreis.

Anegla Lehner, Vater Unser, Roman, Hanser Berlin, Berlin/München 2019, ISBN 978-3-446-26259-1, gebunden, 284 Seiten, 22,00€.

In Vater Unser breitet Angela Lehner eine Familiengeschichte aus, die in jeglicher Hinsicht gestört erscheint. Ihre Protagonistin Eva Gruber wird zu Beginn des Romans von der Polizei in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert, weil sie behauptet, eine Kindergartenklasse erschossen zu haben. In der Einrichtung trifft sie auf ihren Bruder. Schnell wird deutlich, dass dies ihr Plan war. Doch das geschwisterliche Verhältnis ist erschüttert, genauso wie das zu den Eltern, wie während den Therapiestunden bei Dr. Korb deutlich zu lesen ist.

Vater Unser ist ein bemerkenswertes Debüt, denn es ist der derb und unbequem. Als ob die Psyche an sich nicht schon genug Raum für Unannehmlichkeiten stiftet, greift Angela Lehner gekonnt auf die Nadeln und Spitzen sowie gelegentlich auch den Vorschlaghammer der Sprache zurück. Der Rezipient wird zu einem Teil des Trümmerfeldes Eva Gruber verarbeitet, ob er will oder nicht. Die vermeintliche Wahrheit wird gebogen, mit der möglichen Lüge garniert und am Ende bleibt einem selbst überlassen, wie die Realität wohl schmecken mag.

Besonders erwähnenswert in Vater Unser sind die messerscharfen Dialoge, vor allem zwischen Eva Gruber und Dr. Korb. Mit schnittigem Humor schälen die zwei Figuren ihre Schichten voneinander bis sie fast schon freundschaftlich, wenn auch verbal übergriffig, miteinander verbunden sind.

Ich seufze: »Dann erzählen Sie mir halt was über Dumbo.«

»Dumbo?«, Korb schaut mich verwirrt an.

Ich beuge mich vor: »Dumbo: Kackhaufenfrisur. Ungefähr zwölf Kilo. Ohren größer als Vorarlberg.«

»Sie meinen Adriana Meisner?«, sagt er. »So können Sie nicht über Mitpatienten sprechen, Frau Gruber. Das ist eine Frage des Respekts.«

»Wieso?«, sag ich. »Sie waren doch der, der dem Aussehen einen Namen gegeben hat. Ich habe nur Dumbo gesagt.« Ich lehne mich zurück und verschränke die Arme: »Zeigen Sie mal ein bisschen Respekt, Korb.«

In diesem Debüt trifft eine angenehme Erzählweise einen bitterbösen Humor und hinterlässt einen Lesenden, der sich zwischenzeitlich fragt, ob das alles so lustig ist, wie es scheint.

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