Rindenritzer Heiner Müller

Rindenritzer Heiner Müller

Gedicht von Carsten Stephan

Ritzen ist nicht Frauenvorrecht,
Auch nicht einer Altersstuf’.
Heiner Müller war hier fünfzig,
Und es ist sein Traumberuf.

Viele mögen es nicht sehen,
Förster plärr’n vom deutschen Wald,
Frauen stricken an Gamaschen
Und der Jäger Büchse knallt.

Aber Müller treibt der Ritzdruck,
Es ist Sucht und kein Entschluss.
Ritzer ist nicht, wer es kann,
Ritzer ist, wer ritzen muss.

Müllers Vorfahr, Wilhelm Müller,
Hielt sich auch schon nicht im Zaum,
Ritzt’ jedoch nicht in die Buche,
Sondern in den Lindenbaum.

Wenn die roten Tränen fließen,
Fühlt sich Müller nicht mehr flau.
Ritzt sein H mit zwei Zigarren,
Pafft die rote Buche grau.

Was will uns der Rindenritzer
Heiner Müller damit sagen?
Die Befreiung Hänsels ließ die
Hexe über Hitze klagen,
Und durch Rotkäppchens dem Wolfe
Lagen Steine schwer im Magen.
Das ist zwar nicht offensichtlich,
Aber das will er uns sagen.

(c) Carsten Stephan

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