Das Kunsthaus Lisa, in dem Künstlerinnen und Literatinnen residieren können.

Text trifft Kunst – Residenz im Kunsthaus Lisa

Reportage von Dörthe Huth

Diesen Sommer verbringe ich eine Zeit lang im Kunsthaus Lisa in Mecklenburg-Vorpommern, um hier in Ruhe an meinem nächsten Kinderbuch und einigen Erzählungen zu arbeiten. Inmitten idyllischer Natur kann ich fernab des üblichen Alltagstrubels ganz in meinem eigenen Rhythmus arbeiten und genieße die Zeit sehr.

Writer in Residence-Programme

Grundsätzlich bieten Residenzaufenthalte Autor*innen die Möglichkeit, sich weiter zu professionalisieren, intensiv mit einem Schreibprojekt auseinanderzusetzen, sich mit anderen Künstlerinnen zu vernetzen und öffentlicher Sichtbarkeit zu gewinnen. Die Residenzprogramme sind sehr unterschiedlich ausgelegt und variieren stark in ihrer Dauer. Meist laufen sie zwischen einem Monat bis hin zu einem ganzen Jahr. Einige beinhalten zusätzlich eine finanzielle Förderung, andere sind reine Aufenthaltsstipendien und bei einigen ist auch der Aufenthalt mit einer Selbstbeteiligung verbunden.
Viele der Literaturresidenzprogramme sind allerdings auf eine Dauer ausgelegt, die nicht zu meinen persönlichen Lebensumständen passt. Über den Austausch mit anderen Literatinnen habe ich erfahren, dass es anderen aus unterschiedlichen Gründen ebenso geht. Einige haben Kinder, die sie nicht einfach zurücklassen können, manche sind an Projektverpflichtungen am Heimatort gebunden, andere befinden sich in einer Pflegesituation oder sind gesundheitlich beeinträchtigt. Da ich nicht die Möglichkeit habe, längere Residenzen zu nutzen, kann ich mich nur auf wenige Aufenthaltsstipendien bewerben. Insofern war ich glücklich, dass ich vor einigen Jahren ein relativ kurzes Aufenthaltsstipendium der Stadt Soltau für die Wohnung über der Bibliothek Waldmühle erhielt, und freue mich in diesem Jahr über die Einladung ins Kunsthaus Lisa.

Kunsthaus Lisa e.V.

Das Kunsthaus Lisa – Kunst und Text

Das Kunsthaus Lisa liegt in der Nähe von Rostock. Hier finden zahlreiche kreative Angebote statt, wie Workshops, Seminare und Ausstellungen. Das abwechslungsreiche Programm reicht von Collagen über Ton-, Glas- und Gartenkunst bis hin zum Kreativen Schreiben. Jedes Jahr findet eine Sommerakademie statt und in unregelmäßigen Abständen lobt Lisa e.V. einen Frauen-Kunst-Preis sowie einen Frauen-Literatur-Preis aus. Gegründet wurde der Lisa e.V. von der Künstlerin und Autorin Anja Röhl, die insbesondere durch ihr Buch „Das Elend der Verschickungskinder“ sowie ihr Engagement rund um die Verschickungskinder öffentliche Aufmerksamkeit erhält. Aber auch andere Künstlerinnen bringen sich aktiv ins Vereinsleben ein, wie Anke Gebauer, die sowohl Gedichte schreibt, als auch minimalistische Alltagsgegenstände aus Stoff, Stahl oder Toilettenpapier neu zusammensetzt.

Lisa e.V. sieht sich selbst als Kraftquelle für Frauen in unterschiedlichen Lebenslagen und fördert gezielt Gleichberechtigung sowie die gesellschaftliche Teilhabe von Frauen. Neben den Kunst- und Literaturresidenzen im 300 Jahre alten Fachwerkhaus, die das Kunsthaus auch als Kunst-Urlaubs-Residenzen bezeichnet, vergibt der Verein seit kurzem auch pro Jahr zwei vergütete Residenzplätze für Frauen mit Handicaps in barrierefreien Unterkünften. Alle Residenzen sind auf vier Wochen ausgelegt, wobei in der Regel jeweils eine Literatin und eine Künstlerin zur gleichen Zeit eingeladen werden. Unter den bisherigen Residentinnen sind sowohl etablierte Künstlerinnen und  Schriftstellerinnen, wie  Ulrike Schäfer („Nachts, weit von hier“ u.a.) und Cornelia Koepsell (Das Buch Emma), als auch Nachwuchstalente wie die norwegische Bildhauerin Ebba Radke.

Das Galeriehaus und Werkstatt

Meine Zeit im Kunsthaus Lisa

Derzeit bewohne ich den großen Bibliotheksraum in der ersten Etage, der mit einem Schreibtisch, gemütlichen Sofas und jeder Menge Büchern ausgestattet ist. Ein idealer Rückzugsort, um ganz in Ruhe an meinem Schreibprojekt arbeiten zu können. Von einem der Fenster aus kann ich während der Schreibpausen wunderbar die Störche beobachten, die unweit vom Haus auf einem Mast ihre Jungen großziehen. Das Schnabelgeklapper der Eltern und die amüsanten Hüpfübungen der Jungvögel sind eine willkommene Abwechslung. Manches ist etwas gewöhnungsbedürftig, wie das nicht abschließbare Badezimmer, fehlende Kleiderschränke oder die Geräuschkulisse des alten Fachwerks. Das macht aber rein gar nichts, denn irgendwie wiegt die besondere Atmosphäre dies alles wieder auf.

Der zum Haus gehörige Garten ist ein kleines Paradies. Am Baum hängen reife Kirschen, an den Büschen Johannisbeeren und Brombeeren. Dazu verbreiten Rosmarin, Pfefferminze und andere Kräuter ihren Duft und erfüllen die Luft mit würzigen Aromen. Im Galeriehaus läuft die Sommerakademie und das Lachen der Teilnehmerinnen klingt bis zu meinem Fenster. Im Gartenhäuschen arbeiten Künstlerinnen an ihren Werken, auf dem Hochsitz liegt jemand auf der Liege und sonnt sich und eine Vereinsfrau mäht den Rasen.

Da die Residentinnen in der Regel ihre Arbeiten im Rahmen einer Ausstellung, einer Lesung oder eines Schreibworkshops präsentieren, halte ich zum Abschluss meines Aufenthaltes einen Schreibworkshop ab. Damit geht für mich dann eine intensive Phase des kreativen Rückzugs zu Ende.

 

Zum Weiterlesen

Hier geht es zur Webseite vom Kunsthaus Lisa

Hier geht es zur Stipendienübersicht des Netzwerkes other writers need to concentrate

Hier geht es zur Webseite zum Thema Verschickungsheime

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